Portraits & Interviews

Interview mit der Mixed-Media-Künstlerin Isabelle Wiessler

Isabelle Wiessler ist mir in diesem und im letzten Jahr wiederholt begegnet. Sie hatte Ausstellungen in Villefranche in Frankreich, bei der Nadelwelt in Karlsruhe, beim Quiltfestival Noord Groningen in Holland und in Langensoultzbach im Elsass, um nur einige zu nennen. Immer traf sie auf ein begeistertes Publikum, mich eingeschlossen. Ich konnte sie fragen:

Wann bist Du erstmals mit textilen Arbeiten in Berührung gekommen?

Eigentlich erst 1989 und durch einen absoluten Zufall. Ich habe eine Ausstellung in einer Bank gesehen. Die Ausstellung war das Ergebnis eines Challenge zwischen der Patchworkgruppe in Freiburg und Patchworkgruppen in Madison, USA, und Bern, Schweiz. Alle Arbeiten hatten die gleichen Formate und so viel ich mich erinnern kann, sollten sie zwei bis drei gleiche Stoffe beinhalten. Ich war vollkommen überwältigt von den trotz gleicher Vorgaben so unterschiedlichen Arbeiten und konnte sehen, dass Patchwork nicht nur das war, was ich mir immer gedacht hatte (alte Stoffe irgendwie zusammensetzen). Ich habe mich kurz danach bei dieser Patchworkgruppe angemeldet. Es war der Beginn!

Hast Du eine textile Ausbildung?

Überhaupt nicht! Ich habe Workshops bei namhaften Quilterinnen besucht, angefangen bei Dorle Stern-Straeter, Maryline Colllioud-Robert, Linda Colsh und anderen. Die Workshops, die mich jedoch sehr nachhaltig beeinflusst haben und die meine Arbeitsweise grundlegend verändert haben, sind die mit Jan Beany und Jean Littlejohn. Ich weiß nicht, ob ich heute ohne sie hier wäre und ich bin Ihnen unendlich dankbar dafür.
Ich habe ein Kunstabitur, konnte aber leider Kunst nicht weiterstudieren.

Hattest oder hast Du Vorbilder?

Im Bereich bildende Kunst: Turner, Monet, beide bekannt für ihr lebenslanges Streben, Licht durch Farbe zu erzielen. Dann Richter und Rothko für ihren Weg, Farbveränderungen durch Aufschichtung zu produzieren.
Im Bereich Textil: Deidre Adams aus den USA, die meisterhaft gequiltete Flächen bemalt.

Du sagst von Dir, Du seist Künstlerin im Bereich Mixed-Media, nennst Dich also nicht Textilkünstlerin, warum?

Erstens weil ich tatsächlich nicht mehr nur textile Materialien verwende. Ich verwende Acrylfarbe und auch synthetische Materialien wie Lutradur und Tyvek, die zwar benäht und bestickt werden können, jedoch nicht ursprünglich aus dem rein textilen Bereich kommen.
Es gibt aber auch einen psychologischen Aspekt. Mit dem Begriff Textil bleiben wir sozusagen unter uns. Es ist zwar mein Ziel, die Textilkunst bekannter zu machen (dafür bin ich Mitglied bei TAFch), ich musste jedoch aufgrund unterschiedlichster Erfahrungen erkennen, dass Textilien die „Außenwelt“ nicht oder wenig interessieren. Wenn man diese Menschen auf einen aufmerksam machen möchte, dann mit dem Begriff „Mixed-media“, der ihnen wahrscheinlich nichts sagt, sie aber neugierig macht. Obwohl ich, wenn ich die Chance hatte, mit bildenden Künstlern auszustellen, ein immer sehr interessiertes Publikum traf.

Welche Medien setzt Du für Deine Kunstwerke ein?

Einerseits Baumwollstoffe, die ich meistens selbst färbe und bemale, anderseits alle Medien, die mir interessante Strukturen ermöglichen und die ich bemalen bzw. färben kann wie z.B. Tyvek, Lutradur, Kunin Filz, Pannesamt.

Arbeitest Du gern zu bestimmten Themen?

Eigentlich ausschließlich. Es sind Themen, die mich bewegen wie „ökologische Katastrophen“ oder interessieren wie die Stadt. Thematisch zu arbeiten ermöglicht einem, dieses Thema unter all seinen Facetten zu untersuchen, tiefer in die Materie zu gehen, sich besser zu fokussieren. Dies wird gut gezeigt durch alle meine Arbeiten zum Thema Baum / Baumrinden / Wald. Ich finde auch eine thematische Ausstellung stimmiger und für den Betrachter angenehmer.

Wenn Dich etwas inspiriert, machst Du eine Skizze oder ein Foto?

Ich verwende sehr oft eigene Fotos, oder ich verwende Fotos meines Sohnes. Ich mache vor der textilen Umsetzung immer eine oder mehrere Skizzen. Während des Skizzierens setze ich mich so intensiv mit meinem Motiv auseinander, dass mir dann auch klar wird, wie ich es textil umsetze (Größe, Materialien, Farben). Ich arbeite sehr strukturiert, die Umsetzung kann natürlich etwas variieren, aber grundsätzlich habe ich immer einen „Plan“.

Wie arbeitest Du? Könntest Du anhand eines Werkes die Arbeit vom Entwurf bis zum fertigen Werk beschreiben?

Wenn ich an einer großen bemalten Arbeit sitze, gehe wie folgt vor:
Ich mache zuerst eine oder mehrere Skizzen von meiner Vorlage, auch Skizzen der Quiltlinien, die für diese Art Arbeit so entscheidend sind. Ich färbe dann Baumwollstoff in einer Grundfarbe. Dann quilte ich das gesamte Stück und nähe schon die Ränder an (was einfacher ist, als wenn der Stoff schon bemalt ist). Anschließend entfärbe ich manchmal teilweise den Stoff und bemale ihn mit Acrylfarbe.

Erhält die Textilkunst bzw. erhalten Mixed-Media-Kunstwerke Deiner Ansicht nach ausreichend Anerkennung in Deutschland? Ist das in anderen Ländern anders?

Leider nein. Ich kann auch von meinem dreieinhalbjährigen Kampf gegen die Künstlersozialkasse (KSK) dazu berichten. Als ich mich 2012 als Künstlerin selbstständig machte, habe ich einen Antrag bei der KSK im Bereich textile Kunst gestellt … und wurde sofort mit der Begründung abgelehnt, dass Textil Kunsthandwerk und nicht Kunst ist! Ich habe die KSK verklagt und nach einem dreieinhalbjährigen Kampfund zwei Verhandlungen dank der unermüdlichen Arbeit meiner hervorragenden Anwältin gewonnen! Ich glaube, dies erklärt alles. Ich erlebe immer wieder, wie man von bildenden Künstlern belächelt wird, ohne dass sie unsere Arbeit überhaupt gesehen haben! Es sind die Vorurteile, die in Deutschland mit Textil zusammenhängen.

In den USA und auch in England hat Textil eine andere Tradition. Es gibt dort Ausbildungen im Bereich Textil und auch wichtige Museen, die sich mit Textilien beschäftigen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass ich in der Schweiz, wo ich 2016 ein Stipendium als „Artist in Residence“ erhalten habe, und auch in Luxemburg, wo ich öfters ausgestellt habe, neugierigere Menschen treffe.

Die Website von Isabelle Wiessler ist: http://isabelle-wiessler.de/

Alle Fotos wurden von Isabelle Wiessler zur Verfügung gestellt.