Portraits & Interviews

Interview mit Ellen Moschitz-Finger

Ellen Moschitz-Finger organisiert die Messe „Nadel und Faden“ in Osnabrück, zu dem ist die Buchautorin mehrere Bücher zum Thema Sticken. Ich wollte von ihr wissen:

Sie interessieren sich schon lange für Handarbeiten, wie fing das an?

In meiner Kindheit fing das an, denn meine Mutter war eine äußerst talentierte Strickerin. In Kindertagen bis ins Teenager-Alter war ich ausschließlich in Strickröcken mit passenden Pullovern und Jacken gekleidet. Passte ein Teil nicht mehr, wurde es aufgeribbelt, gewaschen, eine neue Farbe kam hinzu, und so bekam ich ein neues Modell. Ich bewundere heute noch, dass meine Mutter Norweger-Muster ohne Vorlage stricken konnte. Gehäkelt hat sie natürlich auch, und da lag es nahe, dass ich irgendwann zu Garnen und Nadeln greifen würde, um es ihr gleich zu tun. Geschenke für die Großeltern z.B. waren immer handgemacht mit Nadel und Faden, und das habe ich mir bis heute erhalten.

Haben Sie eine textile Ausbildung?

Nein, ich bin Autodidaktin. Wissen und Fähigkeiten habe ich mir aus Büchern von kompetenten Autoren oder Autorinnen erarbeitet, und meine Bibliothek zum Thema Handarbeiten/Textilkunst wächst noch immer.

Was machen Sie heute beruflich?

Nachdem ich 26 Jahre lang in der Stadthalle Osnabrück  Assistentin der Geschäftsleitung war und im Rahmen meiner Tätigkeit Messen, Ausstellungen und Konzerte organisiert habe (Antiquitätentage,  IMPULSE INTERNATIONAL ( eine Kunstmesse)  und eben die Messe für textile Kunst und Handarbeit Nadel & Faden), bin ich heute freiberuflich immer noch die Projektleiterin der von mir gegründeten Messe Nadel & Faden, eine Arbeit, die mich nach wie vor begeistert und in Atem hält, weil ich so gerne neue Ideen entwickele, in die ich meine ganze Kreativität einbringen kann.

Welches ist ihre bevorzugte Technik?

Seit Jahren widme ich mich dem Thema Schwarzstickerei, auf das mich die leider schon verstorbene Stickmeisterin Hedwig Dirks aufmerksam machte. Sie war der Meinung, das sei das Richtige für mich, und sie hatte Recht. In Deutschland fand ich wenig über die Historie, wurde aber in London im Victoria und Albert Museum fündig und habe mich dort mit Literatur eingedeckt, denn in Großbritannien ist die Technik der Schwarzstickerei so bekannt und beliebt wie bei uns der gute alte Kreuzstich. Und so habe ich im Laufe der Jahre nach alten Vorlagen aus dem 16. Jahrhundert mein ganz eigenes Design in dieser Technik kreiert, ihr – so hoffe ich – ein modernes Gesicht gegeben mit dem Ziel, möglichst viele Generationen für das Sticken zu begeistern und traditionelle Handarbeit nicht untergehen zu lassen. Sie finden dazu alles auf www.design-stickerei.com

Was inspiriert Sie zu einer neuen Arbeit?

Da ist zunächst einmal alljährlich der „Druck“, zu Nadel & Faden den Liebhaberinnen der Schwarzstickerei ein neues Motiv zu präsentieren oder auch mehrere. Und ein gewisser „Druck“ kann durchaus nützlich sein. Dabei ist meine wichtigste Inspirationsquelle die Musik, gefolgt von Literatur, Theater, Kunst und Natur. Das sind die Lebensmittel, die Bilder in meinem Kopf entstehen lassen, aus denen irgendwann Stickmotive entstehen. Und wenn ich heute alte Entwürfe anschaue, weiß ich, welches Musikstück oder Gedicht mir beim Entstehen geholfen hat. Müsste ich mich selber beschreiben, würde ich sagen: „Ich bin ein durch und durch musischer Mensch“.

Sie haben mehrere Bücher veröffentlicht, worum geht es darin?

Meine ersten vier Bücher (eines im Englisch-Verlag, weitere drei im Augustus-Verlag) bedienen das Thema Kreuzstich, das in den 90iger Jahren einen enormen Boom erlebte. Bestickte Leinenbänder mit allgemeinen Sprüchen oder Zitaten aus der Literatur waren en vogue, Stickereien in Blau/Weiß ein angesagter Trend, schließlich kamen noch Ethno-Muster hinzu. Das waren spannende Jahre, und ich war sehr erfolgreich damit.

Erzählen Sie uns, wie es zur „Nadel & Faden“ in Osnabrück kam.

Das hat auch an der Arbeit mit den erwähnten Büchern zu tun. Ich war auf der Suche nach besonderen Materialien, die ich in Osnabrück leider nicht fand (das Sterben der Handarbeitsgeschäfte war schon im Gange), und so orientierte ich mich in anderen Städten und besuchte auch eine bekannte Kreativmesse in Dortmund. Auf der Rückfahrt von einem solchen Messebesuch entwickelte ich mein ganz persönliches Konzept der „Nadel & Faden“ (ich arbeitete schließlich in einem Veranstaltungshaus), präsentierte es meinem Chef, der sagte „Machen Sie mal“. Nadel & Faden 1995 war geboren und ist bis heute eine wunderbare Erfolgsgeschichte, auf die ich – das darf ich wohl sagen – stolz bin.

Was ist Ihnen wichtig bei der Auswahl der Aussteller?

Seit 1995 suche ich die ausstellenden Firmen, Designer und Künstler persönlich aus. Sie finden die Anmeldeunterlagen nicht für jedermann zugänglich im Internet, denn der persönliche Kontakt mit den Interessenten ist mir zunächst einmal wichtig. Ich unterhalte mich mit ihnen, bitte um eine schriftliche Bewerbung, wünsche mir eine Übereinstimmung mit dem Messekonzept und meinen ganz persönlichen Ideen. Ein künstlerisch wertvolles Design ist Voraussetzung, bei Nadel & Faden ausstellen zu dürfen. Und wenn das alles zusammenkommt, kommt es auch zu einer Zusammenarbeit bei der Messe. Das hat sich in all den Jahren bewährt, und auf diesem Wege habe ich wunderbare gleichgesinnte Menschen – ja Freunde – kennen gelernt, wofür ich dankbar bin.

Welchen Schwerpunkt hat die Messe in diesem Jahr?

Ich konzipiere eine neue Messe nicht im Hinblick auf Schwerpunkte. Die ergeben sich im Laufe der Arbeit ganz von selbst, wenn ich Künstlerinnen zu Sonderschauen einlade oder besondere Workshops buche wie z.B. in 2018 „Die Knopfmacherei“ mit Helene Weinold oder das Strick- und Häkelcafé „Coole Masche“. Und alle Aussteller setzen Schwerpunkte zu den unterschiedlichsten Handarbeitsthemen und –techniken, die dann zum ersten Mal bei Nadel & Faden gezeigt werden.

Finden Sie neben der Arbeit für die Messe Zeit für eigene künstlerische Arbeiten?

Oh ja. Ich strukturiere meinen Alltag so, dass eigene künstlerische Ambitionen nicht zu kurz kommen, weil das für mich lebenswichtig ist. Wie schon erwähnt, plane ich immer neue Motive in der Schwarzstickerei, spiele mit Leidenschaft Theater (schließlich war das auch einmal mein Beruf) in der Probebühne Osnabrück, inszeniere Lesungen und besuche die großen Theater in Europa. Ich freue mich, im Juni Besucherin bei der TAB zu sein und wünsche der Veranstaltung viel Erfolg.

Die Website von Ellen Moschitz-Finger: www.design-stickerei.com

Alle Fotos wurden von Ellen Moschitz-Finger zur Verfügung gestellt.