Portraits & Interviews

Interview mit Renate Büning-Feyzee-Shandi

Renate Büning-Feyzee-Shandi habe ich bei einer Reise nach Polen kennen gelernt. Sie erzählte so spannend von ihren Arbeiten, dass ich sie um ein Interview gebeten habe. Als erstes wollte ich von ihr wissen, wie sich ihr Interesse an Textilem entwickelt hat. Sie habe als Kind alle Handarbeiten gelernt, erzählt sie. Sie habe dann an der PH studiert mit Kunst als Fach, das sei eine Miniausbildung in Kunst gewesen. Sie habe zunächst als Grundschullehrerin, dann aber auch an einer Hauptschule und Gesamtschule gearbeitet.

Sie sagt: „Irgendwann war mir das zu viel und ich habe noch mal an der Uni Englisch und Russisch studiert. Mich also ganz auf die Sprachen geworfen. Dann war ich hier an der Waldschule hauptsächlich Englischlehrerin. … Kunst habe ich auch manchmal unterrichtet in den unteren Klassen – später jedoch auch nicht mehr. Die ganzen Jahre hatte ich für künstlerische Arbeiten nie Zeit. … Ich hatte jedoch immer das Gefühl, ich will und muss was machen.“

Die Technik der Applikation habe sie schon im Kunstunterricht im Gymnasium gelernt. Dann habe sie eine Seidenmalphase gehabt.

„Eines Tages habe ich mir mein Sofa angeschaut und dachte, wo wir immer den Kopf anlehnten, da muss irgendetwas hin. Dann habe ich eine Art Fries angefertigt. Ich habe auf ein Stück Nessel mit Seidenmalfarbe erst mal ein paar Kleckse gemacht. Mein Mann hat mir einen Rahmen gebaut und ich habe das Ganze darauf gespannt. Damals hatte ich ein kleines Zimmer zur Verfügung, wo ich ungestört arbeiten konnte, wenn ich mal Zeit hatte. Mal eine halbe Stunde, mal auch zwei Stunden, dann wieder Tage und Wochenlang überhaupt nicht. … Später habe ich in dieser Art noch ein zweites Stück gemacht. …

Das war der Anfang und dann habe ich, während ich noch im Schuldienst war, kleine Sachen zum Gebrauch gemacht – kleine Täschchen, Kaffeemützen und solche Sachen. Und einen großen Vorhang. Dann habe ich auch schon angefangen, ab und zu mal ein Bild zu machen, aber ganz selten, weil ich eigentlich keine Zeit hatte. Wenn wir in den Ferien in der Priegnitz waren, habe ich dann auch schon größere Arbeiten gemacht, die sind zum Teil jetzt auch hier. Dann wurde ich im November 2002 endlich pensioniert und seitdem betrachte ich das als meinen Beruf.“

Seit 2003 hat Renate immer wieder ausgestellt, zuletzt im Dezember und Januar 2015 in Schöneberg in einer kleinen Galerie und jetzt kürzlich in der Kreuzbergstraße. Sie wolle erst in eineinhalb Jahren wieder eine Ausstellung machen, vorher komme nur eine Gruppenausstellung in einer Galerie in der Kreuzbergstraße infrage. Alle diese Galerien, in denen sie ausgestellt habe, hätten mit Textilkunst überhaupt nichts zu tun, sondern seien ganz normale allgemeine Galerien. Sie wolle gar nicht als Textilkünstlerin gelten. Sie mache auch jetzt Collagen, Mischtechnik etc., auch etliche Mosaiken. Die Galerien stellten sie aus, weil ihnen die Arbeiten gefallen und nicht, weil es Textilkunst sei. Die letzte Galerie letzte sei hin und her gerissen von ihren Arbeiten gewesen und hoffte, viel davon zu verkaufen– was dann nicht eingetroffen sei. Das habe vielleicht an der Urlaubszeit gelegen. Im Winter sei in Schöneberg mehr verkauft worden. Mehrheitlich sind das kleinere Sachen, die verkauft werden. Es gehe ihr gar nicht um den Verkauf, es müsse nur immer wieder Platz geschaffen werden.

„Die Wände sind so voll, das ist unerträglich, und dann stapeln sich die Sachen auch noch in Schränken und so weiter. Natürlich ist ein angemessener Preis auch eine Wertschätzung, aber oft haben die Leute keine Ahnung und die Galeristen verkaufen lieber unterm Preis als überhaupt nicht, habe ich festgestellt. Das ist mir in Weimar so gegangen, da wurden Bilder zum Schleuderpreis verkauft und auch in Schöneberg war der Preis nicht angemessen. Jetzt in der letzten Galerie habe ich die Preise selbst festgelegt und mich bemüht, sie nicht zu hoch, aber auch nicht zu niedrig zu machen – das ist allerdings sehr schwierig. Ganz kleine Sachen lassen sich vor allem in der Weihnachtszeit unter Umständen ganz gut verkaufen. Im DIN-A4-Format habe ich Köpfe gemacht – davon sind auch etliche verkauft worden. Bei den großen Sachen schrecken die Leute einerseits vorm Preis zurück und andererseits sagen sie immer, dass sie dafür keinen Platz haben. Bei manchem spielt sicher eine Rolle, dass es sich um Textiles handelt, aber gesagt hat es bisher noch nie jemand.“

Es stimme nicht, wenn die Leute sagten, Textiles würde so schnell vergehen und Acryl sei doch das Wahre. Auch Acrylfarben auf den Bildern könnten sich zersetzen. Sie habe allerdings mit Acryl auf Stoff noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Sie klebe den Stoff zum Teil auf Acrylfarbe oder auf Acrylpaste, sie nehme sie gern als Bindemittel oder als Klebstoff. Manchmal übermale sie diese Stoffteile dann auch noch oder sie nehme Wachs- oder Ölkreiden.

Inzwischen fertigst Du gern Collagen?

„Ich bin zu diesen Collagen hauptsächlich dadurch gekommen, weil mein Rücken die Stickerei nicht mehr so mag. Ich mache es zwar immer noch, aber ich muss aufpassen, dass ich möglichst schnell Pausen einlege. Stickereien im eigentlichen Sinne mache ich nicht, sondern Applikationen. Ich nähe Stoffteile auf und da verwende ich unterschiedliche Stiche, ziemlich große Stiche, die man dann auch sieht. Manchmal besonders große, manchmal besonders kleine, manchmal sieht man die Stiche nicht, manchmal Hexenstich oder Kreuzstich. Dann mache ich aber auch zwischendurch, wenn es sich so ergibt, kleine Stickereien mit Stielstich. Dann verwende ich auch Dinge, die man aufnähen kann, die aber nicht aus Textilien bestehen – Knöpfe, Pailletten, Perlchen, irgendwelche Kinkerlitzchen, die ich gefunden habe, Federn etc.“

Nähst Du auch mit der Maschine?

„Mit der Maschine nähe ich die Kleider bzw. Hemden für meinen Mann. … Applikationen oder Stickereien mache ich nicht mit der Maschine. Für meine Arbeiten würde das technisch überhaupt nicht gehen. Mir ist lieber, wenn ich sitze und vor mich hin sticke. … Das ganze Bild entsteht, indem ich mit Stecknadeln die Teile fixiere. Wenn das passiert ist, dann setze ich mich und arbeite vom Rand ca. 40 cm zur Mitte hin. Das Stück ist auf einem Rahmen und der Rahmen ruht auf irgendwelchen Möbeln, das kann ein Tisch sein, neuerdings nehme ich ein Bügelbrett. Ich nehme auch spezielle Böcke, also alles, was dazu geeignet ist, dass mindestens zwei Enden aufliegen. Dann sitze ich davor und arbeite und schiebe mir das hin und her, damit ich den ganzen Rand erst mal habe und dann geht das ganze Teil runter vom Rahmen und wird versetzt, so dass ein fertiger Teil nach unten hängt und dann arbeite ich weiter.“

Was inspiriert Dich?

„Einige meiner Sachen sind durch Literatur inspiriert. Zum Beispiel habe ich zwei Ophelia-Bilder gemacht, wie sie zwischen ihren Blumen im Wasser liegt oder stirbt oder gestorben ist. … In einer frühen Phase habe ich Märchenfiguren gemacht und zwei Dämoninnen, nach einem Totem, das Emily Carr, die kanadische Malerin, literarisch beschrieben hat. Sie hat solche Sachen gezeichnet und gemalt und sich davon inspirieren lassen. Sie hat ihre Bilder nach indianischen Kultstätten gemalt. Die hat sie in den 30er Jahren auf abenteuerliche Weise besucht, ist mit kleinen Booten auf diese kleinen Inseln gefahren und hat dann dort sozusagen Bestandsaufnahmen gemacht. Später, als sie nicht mehr malen konnte, hat sie geschrieben. Sie hat Erinnerungen verfasst und daraus habe ich diese Figur entwickelt und zwei weitere Beispiele dieser Art. Manchmal habe ich mich auch im Hinterkopf von irgendwelchen Malern inspirieren lassen. Ich habe z.B. eine Hommage an Frieda Kahlo gemacht, aber nicht nach einem Bild von ihr, sondern aus dem Kopf.“

Häufig entstünden ihre Bilder aus dem Bauch heraus, sie mache nie Entwürfe. Sie suche immer vorher aus ihren Stoffen bestimmte Farben heraus. Bestimmte Farbkombinationen seien normalerweise der Ausgangspunkt.

„Dann fange ich an und lege so ein Stück da drauf, dann gucke ich, das passt auch dazu. Dann kommt das nächste daneben und dann entwickelt sich das einfach so. Eine Zeit lang habe ich sehr viele Köpfe gemacht. Bei einer Serie war ich inspiriert durch den Maler Gerhard Altenburg, ein DDR-Künstler, der mit der DDR auf Kriegsfuß stand, aber im Gegensatz zu den anderen Berühmtheiten nie in den Westen gegangen ist, wohl aber im Westen verkauft hat. Ich habe das bei einer Ausstellung gesehen und dann habe ich Gesichtslandschaften produziert. Der hat Gesichter gemalt mit ganz viel Furchen.“

Vielen Dank für das Interview.