Reportagen

Bericht über die Ortenauer Textiltage in Rheinau-Freistett

Eine Dame im riesigen Kappenschlupf war der Blickfang im Eingangsbereich der Messe. Lange und breite schwarzseidene Bänder werden mit Hilfe von Draht zu einem meist schulterbreiten, flügelartigen Schlupf aufgespannt. Diese Kopfbedeckung ist das Erkennungszeichen der Frauen- und Mädchentracht des Hanauerlandes, dem Gebiet nördlich von Straßburg auf französischer Seite und um Kehl auf deutscher Seite. Die Dame präsentierte wertvolle Mustertücher und Werkproben aus altem Kelsch und Leinen aus der Sammlung des Museums des Vereins für Heimatgeschichte.

Veranstalter der Messe sind seit einigen Jahren Iris Duffner und Roswitha Duffner-Feiler von der Schwarzwälder Spinnstube. An ihrem Stand gab es unter anderem Schafwolle zum Filzen, Spinnen und Basteln. Ich bleibe immer wieder an dem hauchzarten bunten Wollvlies hängen. Ich weiß, dass das Vlies gefilzt werden muss, damit es Festigkeit erhält. Ich wünschte mir nur, man könnte es genauso zart und luftig als Tuch um die Schulter legen.

Neben Wolleprodukten boten sie auch Handarbeiten von Beduinenfrauen auf dem Sinai an, darunter Stickereien, Kopftücher, Schals, Taschen, Beutel, Teppiche, Perlenschmuck und Bänder, die sie ge­mäß ihrer Tradition herstellen.

Zwei bemerkenswerte Ausstellungen waren auf der Galerie des Saals untergebracht worden. Zum einen zeigte die Textilkünstlerin Luitgard Möschle aus Schutterwald bei Offenburg eine große Auswahl ihrer Arbeiten. Ihr geht es um eine kreative Auseinandersetzung mit dem Material Textil. Ihre Ideen findet sie  immer und überall, dabei ist die Natur eine ihrer größten Inspirationsquellen. Ihre Arbeiten wurden vom Publikum sehr bewundert. Ich liebe besonders die Arbeit „Irgendwo – Himmel und Meer“. Luitgard erzählte mir, an einem Tag am Meer habe ein ganz besonderes Licht geherrscht und man habe nicht mehr erkennen können, wo das Meer aufhörte und der Himmel begann.

Die Deutsch-Afghanische Initiative e.V. in Freiburg zeigte die Wanderausstellung COWandMORE mit einer handgestickten Kuh aus Afghanistan aus dem Stickprogramm von Guldusi.
Die Stickerinnen wurden gebeten, Kühe zu sticken. Heutzutage können sich – im Gegensatz zu 2004 – viele Stickerinnen eine Kuh leisten. Ein Fortschritt! Eine gestickte Kuh wurde in eine textile Arbeit einer Textilkünstlerin aus Europa integriert, dabei gab es keine thematischen Vorschriften. Es war hoch interessant zu sehen, was geschieht, wenn Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenarbeiten.

Nicht nur der Kappenschlupf aus dem Hanauerland war ein regionales Element. Auch der Bollenhut, der ja vielfach als die typische Schwarzwälder Kopfbedeckung betrachtet wird, fand sich, allerdings als Fascinator bei der Hutmacherin Sabine Hilker. Auch eine sehr schicke Haube fand sofort eine Käuferin.

Vielleicht noch ein Hinweis zum Bollenhut. Er gehört seit etwa 1800 zur Tracht der evangelischen Frauen in den drei benachbarten Schwarzwalddörfern Gutach, Kirnbach und Hornberg-Reichenbach im Ortenaukreis. Mit seinen aufgesetzten Bollen aus Wolle wurde der malerisch aussehende rote Bollenhut zu einem Symbol des gesamten Schwarzwaldes, obwohl er dort an sich nur in einem relativ kleinen Gebiet verbreitet ist.

Vom Kopf zu den Füßen und den traditionellen Strohschuhen der Bauern im Schwarzwald. Heute werden diese Schuhe in erster Linie von der Mitgliedern der Fastnachts-Vereine getragen, wie den Willstätter Hexen.  Rita Walter aus Oberkirch-Bottenau macht diese Schuhe noch, aus einem 15 Meter langen Zopf aus Maisstroh. Innen ist weicher Wollvlies, die Sohle kann aus Gummi sein.

Auch am Stand von Getrud Haug bin ich länger stehen geblieben. Aus edlen Materialien wie Seide und Alpaka webt sie Stoffe und Schals. Aus ihren Stoffen fertigt sie auch schicke Jacken. Das alles verkauft sie zu sehr moderaten Preisen.

Amüsante Filzwesen stellt Ute Walz aus Forbach in Baden-Württemberg her. Es sind Hand- und Fingerpuppen, mit denen man spielen kann. Beim Publikum kamen sie sehr gut an.

Gern habe ich Sabine Schwärzel beim Klöppeln zugeschaut. Mit einer Vielzahl von Klöppeln und Garnen in mehreren Farben zauberte sie einen luftigen Schal. Hinter ihr hingen weitere Beispiele für zarte geklöppelte Arbeiten.

Genauso zart, aber mit einer anderen Technik arbeitet Hedwig Schnepf. Sie präsentierte das Filet-Knüpfen, eine alte Technik. Die Knoten, die dabei eingesetzt werden, verwenden auch die Fischer für ihre Netze. Die zwei Filet-Handschuhe habe sie schon in der Oper getragen.

Die geflochtenen Korbwaren, wie sie typisch sind für die Volksgruppe der Habesha aus Eritreau und Äthiopien, haben mir gut gefallen.

Zahlreiche Workshops wurden angeboten, darunter Bandweben, Fingerflechten, Occhi, Nähen mit Hexagons und Nadelbinden. Hier zu guter Letzt noch ein Blick in den Occhi-Kurz für Anfängerinnen.

Im nächsten Jahr werden die Ortenauer Textiltage am 21. und 22. November 2020 stattfinden.