Reportagen

Bericht über die TEXTILE ART BERLIN 2019 – 1. Teil

Ein wenig Gift ab und zu … empfiehlt Pia Fischer auf einem ihrer Täschchen, auf einem anderen ging es um Rattengift, aber dazu mehr im weiteren Verlauf meines Berichts.

Gesticktes, Gewebtes, Gestricktes, Gequiltetes, Perlenstickereien, Geknüpftes, Geknotetes, Gesponnenes, Perlen, Nass- und Nadelfilz, Geflochtentes, Stoffdruck … all das konnte man bei der TEXTILE ART BERLIN 2019 sehen und kaufen. Teilweise konnte man diese Künste sogar in Workshops ausprobieren.

Die TEXTILE ART BERLIN ist für mich jedes Jahr ein Höhepunkt, auf den ich mich schon lange vorher freue. Schon zum dritten Mal fand die Messe in dem schönen alten Backsteingebäude statt, in dem heute der Phorms Campus untergebracht ist. In den weitläufigen Höfen war Platz für einen Schulgarten in Kisten und da standen auch viele Tische und Bänke vor Theken, an denen die „Drei Köche“ Kaltes und Warmes zu Essen anboten. Für viele ein Platz zum Ausruhen im Schatten an einem extrem heißen Tag.

Der erster Anlaufpunkt war für mich die Ausstellung der Sampler im Erdgeschoss. Da finde ich jedes Jahr Arbeiten, die mir ausnehmend gut gefallen. Natacha Wolters sagt dazu:  „Unser interner Wettbewerb für die Teilnehmer der Messe, der „Jahres-Sampler“, hatte in
diesem Jahr das Farb-Thema „Orange Energie und Blaue Unendlichkeit“. Die 89 Arbeiten
waren einmalig schön und werden ab 6. September in der Galerie in der Victoriastadt
nochmals zu sehen sein, danach im Oktober zur 4. Perlen- und Textil-Börse im Museum
Europäischer Kulturen.“
Hier meine sehr persönliche Auswahl mit Arbeiten von Antje Krauße, Elsbeth Wiens, Helene Weinold, Marianne Jeske, Pia Fischer, Rita Zepf, Ruth Melcer und Sabine Reichert-Kassube.

In der Schulkantine mit dem beeindruckenden alten Industriekran an der Decke zeigte die Gröbenzeller Quiltgruppe die Ausstellung „#erzählt #gefärbt #genäht, Märchen – Erinnerungen“, kuratiert von Gabriele Bach. Elisabeth Greil, Gabriele Bach, Heidi Förster und Renate Knapp hatten die Märchen Aschenputtel, der Wolf und die sieben kleinen Geißlein, Hänsel und Gretel sowie Frau Holle gewählt.

Draußen im ersten Hof hatte die Handspinngilde einen Schäferwagen aufgebaut und zeigte das Spinnen mit Handspindeln und am Spinnrad. An einem weiteren Gerät wurde die Rohwolle mit vielen Umdrehungen der Kurbel kardiert.

Sylvia Mahl macht aufregende Colliers aus Perlen. An ihrem Stand waren außerdem breite Armbänder in verschiedenen Designs, Armreifen und Broschen zu sehen.

Schmuck für den Hals und den Ausschnitt ganz anderer Art schafft Ute Stephani. Sie demonstrierte gleich, wie gut sich die schwarzen Ansteckrosen an ihrem Ausschitt ausnehmen. Ihre Upcyling-Fashion ist gefärbt, gedruckt, gewebt, bestickt, gehäkelt, geknotet und genäht.

Frauke-Lara Düll zeigte unter anderem Stoffbilder. Dazu sagt sie auf ihrer Website: „Ich kombiniere Farbenpracht mit plastischer Stofflichkeit. Die Farben sind für mich die Stoffe. Sie werden aufgetragen, genäht und gleichen Akkorden in ihrer harmonischen Vielfalt.“ Auf einem dieser Bilder ist ein Tiger versteckt, finden Sie ihn?

Am Stand von Frater Markus von der Benediktinerabtei St. Mauritius in Niederaltaich bin ich eine ganze Weile stehengeblieben. Mit großer Liebenswürdigkeit erklärte er mir seine Arbeiten. Was er zeige, sei eine Bilderkunst aus dem Barock. In dem Bild links hat er unter anderem Goldschnittpapier und Krawattenseide verarbeitet. Nur diese Seide sei fein genug für seine Arbeiten.

Nicht weit von ihm hatte das Lycée Paul Lapie aus Lunéville, über das ich hier schon berichtet habe, seinen Stand aufgebaut. Das Lycée ist eine der vier letzten professionellen Schulen für Haute-Couture-Stickerei in Frankreich. Eine junge Frau saß an einem Stickrahmen und stickte mit dem für diese Perlenarbeiten typischen Stickhaken. Die Arbeit wird von hinten bearbeitet, die Perlen werden mit der linken Hand von unten angeführt. Das große Logo, das ich schon als Bild gesehen hatte, konnte ich in ganzer Pracht und mit allen Details bewundern.

Elsbet Wiens zeigte an ihrem Stand feine Nadelspitzenobjekte aus Draht. Ich bewundere die große Kunstfertigkeit mit der sie ihre zarten Werke schafft. Sie wirken auf mich wie Korallen.

Aus Krawatten kreiert Bettina Roth-Engelhardt schicke Hüte. Ein Upcycling-Projekt nennt sie es. Je zwei auseinander genommene Krawatten werden um einen Innenhut geschlungen und festgenäht. Ihre Tochter war gern bereit, den ein oder anderen Hut als Model zu präsentieren.

Ganz begeistert war ich von dem Stand, an dem das iranische Kunsthandwerk „Pateh“ präsentiert wurde. Mit Seidengarn werden Paisley-Muster oder manchmal auch Blumensträuße auf ein dickes Wolltuch gestickt. Die Garne werden natürlich gefärbt, z.B. mit Henna, Granatapfel, Krapp oder der grünen Walnuß-Schale. Hier zeige ich Ihnen auch eine Stickerei von vorn und von hinten.

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Veronika Urban zeigt in einer Retrospektive ihrer Arbeiten einige großformatige Webarbeiten, die mich sehr beeindruckt haben.

Die Marke ideenWirbel von Angela Sturm widmet sich der Neuinterpretation von Strick. Schlichte robuste Taschen mit traditionellen Fair-Isle-Mustern. Am Stand zeigte sie auch Bilder ihrer Strickmaschine. Die Muster entwirft Angela Sturm selbst.

Milena Rousseva zeigte gestickte Textilbilder, die mir gut gefallen haben. Das Bild links trägt den Titel „Freunde“, das Bild rechts den Titel „Syonara-Party“.

Yumiko Umeda kreiert textile Kalligraphien mit antiken Kimono-Stoffen. Auf einen Hintergrund aus alten Seidenstoffen appliziert sie ein kalligraphiertes Wort. Aus der Nähe besonders schön zu sehen, sind die genähten weißen Linien auf dem schwarzen Stoff, die den Pinselstrichen Plastizität verleihen.

Maria Kravetz und Britt Sobotta von der Berliner Miedermanufaktur zeigten ihre Werke. Eine der Damen trug selbst ein schönes Mieder zur Schau. Corsage, Schnürtaille, Vollbrustmieder und Korsett sind die Herzstücke der Miedermanufaktur. Dazu werden edle Materialien wie Brokate, Jacquards, Perlenstickereien oder Borten verwendet.

Noch eine Manufaktur: die Buntpapiermanufatur von Maja Kemnitz, bei der ich jedes Jahr gern stehen bleibe. Klemmbretter, Schachteln, Notizbücher, Kalender – alles wird in liebevoller Handarbeit produziert.

Pia Fischer ist seit Jahren Teil des Teams der TEXTILE ART BERLIN. Sie organisiert die berühmten Modenschauen am Samstagabend. Daneben zeigt sie an ihrem Stand Neues und Bewährtes. Amüsiert hat mich dieses Täschchen, bei dem sie den Zettel mit dem Hinweis auf die Auslegung von Rattengift auf Stoff gedruckt hat. Das mit dem Gift scheint es ihr angetan zu haben …

Die Knöpfe von Helene Weinold sind Ihnen schon gleich zu Beginn meiner Reportage bei den Samplern begegnet. Sie liebt die meist symmetrischen Muster und das Spiel mit Farben. Die Knopfmacherei, so erzählte sie, war einmal ein richtiges zunftgebundenes Handwerk.

Ilse-Maria Feltz, von Beruf Kostümbildnerin, stellt aus verschiedenen Textilmaterialien Märchen- und Phantasiebilder für Groß und Klein her. Hier zwei besonders schöne Häuser.

Im Interview erzählte  mir die Batikkünstlerin Antje Krauße: „Die Natur bietet immer Motive und Themen: den Menschen, Insekten, Fische, Blumen …, aber auch einfach das Spiel von Licht und Schatten, wenn die Sonne scheint. Alles was mich ästhetisch anspricht. Es können ebenso tiefgründige Inhalte Bildanlass sein: philosophische, politische Gedanken, Emotionen, Literatur, Musik …“ Hier zwei schöne Beispiele dafür.

Renate von Löwis of Menar präsentierte ihre gewebten Teppiche in der Mitte eines großen Raumes in der vierten Etage. Sie sagte mir, sie habe mit 13 Jahren das Bauhaus kennen gelernt, das Bauhaus sei immer ihr größter Einfluss und ihre Inspiration gewesen. Erst dachte ich, sie habe die plastischen Elemente getuftet. Nein, erklärte sie mir, sie arbeite mit dem Ghiordes-Knoten, der schon 2000 Jahre alt sei. Sie benutze ihn auf ganz eigene Art.  Bei ihren Arbeiten zeichne sie nichts vorher, sie lasse ihr Werk einfach wachsen.

Amüsiert haben mich die „Krabbe“ (Badisch für Raben) von Manuela Hinkeldey, vielleicht auch, weil in meiner neuen Heimat so viele davon durch den Himmel fliegen. Auf vielen Arbeiten von ihr sind sie zu sehen, daneben aber auch Hähne.

Lange stehen geblieben bin ich am Stand von Alena Macmillan, wo es neben wunderbaren Taschen aus Blaudruckstoffen auch viele Informationen über den Blaudruck gab. Ihre Stoffe stammen aus Deutschland, Österreich und aus der Tschechischen Republik. Besonders wies sie auf das Muster Tölzer Rose hin, rechts hält sie eine Tasche für uns ins Bild. In Kürze werde ich sie ausführlicher interviewen und zu den Mustern und Farben befragen.

Der zweite, ebenso lange Teil meines Berichts folgt in Kürze.